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Evaluation of an interprofessional lecture with speech-language therapy students and translation students / Evaluation einer interprofessionellen Lehrveranstaltungseinheit mit Studierenden der Logopädie und der Translation Cover

Evaluation of an interprofessional lecture with speech-language therapy students and translation students / Evaluation einer interprofessionellen Lehrveranstaltungseinheit mit Studierenden der Logopädie und der Translation

Open Access
|Jun 2025

Full Article

EINLEITUNG

Monoprofessionalität in den Gesundheitsberufen und Monodisziplinarität in deren Ausbildung wird den Anforderungen einer effizienten und adäquaten Patientenversorgung nicht mehr in allen Belangen gerecht (vgl. Fragemann et al., 2012, S. 369). Aus diesem Grund hat sich das interprofessionelle Arbeiten innerhalb der Gesundheitsberufe in den letzten Jahren zum wichtigen Thema sowohl im beruflichen Kontext als auch in den Ausbildungen weiterentwickelt (vgl. Bibrack et al., 2022, S. 10; Heinzelmann & Toren, 2023, S. 6; Walkenhorst et al., 2015, S. 12–13). Als Voraussetzung für eine interprofessionelle Kooperation im Beruf werden bereits seit den 90er-Jahren inter- und multiprofessionelle Ausbildungsabschnitte nicht nur der Gesundheitsberufe gefordert (vgl. Kaba-Schönstein, 2004, S. 15). Aktuell existieren in Deutschland immer mehr interprofessionelle Lehr- und Lernprojekte von Gesundheitsberufen wie Interprofessionelles Ernährungsmanagement in der stationären und häuslichen Versorgung der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf (FFH) (2017), interEdu der Universität Lübeck und der Christian-Albrechts-Universität Kiel (2022–2024) oder IPAPÄD zwischen dem RKK Klinikum St. Josefskrankenhaus Freiburg und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflegeschule St. Hedwig am St. Josefskrankenhaus im RKK Klinikum Freiburg (2017–2019). Das Projekt MESOPInterdisziplinäre Kooperation im Gesundheitswesen (Medizin, soziale Arbeit und Pflege) – (Kaba-Schönstein & Kälble, 2004) thematisiert im Gegensatz zu den anderen Projekten die Möglichkeiten interprofessioneller Arbeit und Ausbildung von Gesundheitsberufen und Nicht-Gesundheitsberufen. In der Schweiz besteht seit 2018 die Zürcher interprofessionelle Ausbildungsstation (ZIPAS) an mittlerweile vier Spitälern im Züricher Raum; Studierende verschiedener Gesundheitsberufe arbeiten interprofessionell unter Supervision mit realen Patient/-innen der Standortspitäler (vgl. Moira et al., 2024, S. 100; Was ist ZIPAS? - ZIPAS, 2024). Auch in Österreich werden multiprofessionelle Ansätze in der Gesundheitsversorgung und in den gesundheitsberuflichen Ausbildungen (vor allem im Fachhochschulbereich) mittlerweile vermehrt verfolgt (vgl. Walkenhorst et al., 2015, S. 12). In diesem Kontext entstehen nach und nach Projekte und Kooperationen wie die erste internationale interprofessionelle Woche Challenge Accepted! Future Skills Interprofessional 2023 an der FH Campus Wien (Über die Berufs(Grenzen) hinaus, 2023) oder die Zusammenarbeit in der Lehre zwischen der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und der FH St. Pölten (Interprofessionelle GesundheitsausbildungFachhochschule St. Pölten, 2023). Es besteht Konsens darüber, dass die interprofessionelle Ausbildung die Grundlage der interprofessionellen Zusammenarbeit bildet (vgl. Heinzelmann & Toren, 2023, S. 6).

Interprofessionalität und interprofessionelle Zusammenarbeit

Es bestehen verschiedene Auffassungen des Begriffs Interprofessionalität, beispielsweise bezüglich des Ziels, Settings oder Gegenstands; während vor den 2010er-Jahren versucht wurde, den Begriff der interprofessionellen Zusammenarbeit hauptsächlich über Beziehungskonzepte zwischen den Professionen zu beschreiben, beziehen neuere Definitionen auch Rolle, Bedürfnisse und Perspektive der Patient/-innen mit ein (vgl. Meier et al., 2022, S. 140–141). In ihrem Positionspapier spricht sich die Fachkommission Interprofessionalität des Hochschulverbunds Gesundheitsberufe e. V. daher dafür aus, dass die „Zusammenarbeit an den individuellen Bedarfen und Bedürfnissen der Patient/-innen/Klient/-innen orientiert ist. Empfehlung: Etablierung interprofessioneller Kommunikation mit allen Beteiligten (inkl. Patient/-innen/Klient/-innen).“ (Behrend et al., 2021, S. 2).

Die unterschiedlichen Definitionen von interprofessioneller Zusammenarbeit spezifizieren gewisse Einzelheiten unterschiedlich, so sprechen beispielsweise Poggenburg und Rabady (2019) nicht nur von unterschiedlichen beruflichen Hintergründen – den Professionen selbst –, sondern auch von deren Qualifizierungswegen. Dieser Fokus ist gerade in Deutschland, Österreich und der Schweiz insofern von Relevanz, als dass es international sowie teilweise auch national keine einheitlichen Ausbildungswege für medizinisch-technische Berufe, wie die Logopädie, gibt sowie auch im Bereich der Pflege verschiedene Ausbildungswege existieren. Fragemann et al. (2012) beschreiben neben den Berufsgruppen auch noch deren systemische Kooperation als wesentliches Merkmal für wirklich interprofessionelle Zusammenarbeit.

Interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Logopäd/-innen und Dolmetscher/-innen

Gesellschaftliche Mehrsprachigkeit wird durch Globalisierung, Digitalisierung und Mobilität nicht nur im deutschsprachigen Raum zur zunehmenden Normalität (vgl. Androutsopoulos, 2017, S. 194). Angehörige aller Gesundheitsberufe arbeiten im Rahmen der Gesundheitsversorgung oftmals mit Patient/-innen und Klient/-innen in mehrsprachigen und transkulturellen Settings. Speziell für die Logopädie bedeutet Mehrsprachigkeit eine erhebliche Herausforderung, da der Gegenstand der Therapie in vielen Fällen die Sprache selbst ist. Somit wird deutlich, dass inter- und transkulturelle Kompetenzen im logopädischen Setting bedeutsam sind. Unterschiedliche Sprachen und Sprachkompetenzen der Therapeut/-innen und Patient/-innen stellen eine Hürde im logopädischen Setting dar (vgl. Niebuhr-Siebert, 2021, S. 90–93). Professionelles Übersetzen und Dolmetschen wirkt hier stark patientenorientiert und stellt eine wichtige Dienstleistung mit gesellschafts- und gesundheitspolitischem Nutzen dar (vgl. Kadrić, 2016, S. 103). Denn Laiendolmetscher/-innen sind „nur bedingt in der Lage, die Inhalte fachgerecht und neutral zu vermitteln, Bedeutungsverzerrungen und Missverständnisse sind wahrscheinlicher als bei professionellen Dolmetschern“ (Junge & Schwarze, 2013, S. 372).

Während zur interprofessionellen Lehre und Zusammenarbeit zwischen Logopäd/-innen und anderen Gesundheitsberufen zunehmend geforscht wird (siehe hierzu Eibl, 2021; Franz et al., 2020; Lauer, 2022; Mills et al., 2020), existieren zur interprofessionellen Ausbildung und Zusammenarbeit zwischen Logopäd/-innen und Dolmetscher/-innen vor allem im deutschsprachigen Raum noch wenig wissenschaftlich aufbereitete Daten. In anderen Ländern wie Australien und Neuseeland wurde bereits Ende der 1990er zur Zusammenarbeit zwischen Logopäd/-innen und Dolmetscher/-innen geforscht. So zeigen die Studien von Roger und Code (2011), Santhanam et al. (2019), Saenz und Langdon (2019) und Zhang et al. (2020) die Herausforderungen, die sich in dieser Zusammenarbeit ergeben. Teilweise ist es nicht immer einfach, professionelle Dolmetschende für die benötigten Sprachen zu finden; darüber hinaus sind manche Dolmetscher/-innen mit der Fachsprache der Logopäd/-innen nicht vertraut und ihre Wiedergabe ist nicht genau genug (Santhanam et al, 2018, S. 2). Weitere Herausforderungen ergeben sich aus der Tatsache, dass beide Expert/innen die jeweilig anderen Bedürfnisse nicht kennen und immer wieder unrealistische Rollenerwartungen haben, was die Aufgabe/n der Dolmetscher/-innen angeht (Clark, 1998, S.5).

Die Zusammenarbeit mit professionellen Dolmetscher/-innen ist von großer Bedeutung, um Patient/-innen aller Altersgruppen mit kulturell und sprachlich diversem Hintergrund adäquat zu betreuen und oben genannte sprachliche Hürden zu überwinden (vgl. Huang et al., 2019, S. 690). So heben Blackstone et al. (2011) die Bedeutung der interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Logopäd/-innen und Dolmetscher/-innen hervor und stellen Empfehlungen für Therapeut/-innen für die Zusammenarbeit bereit. Allerdings ergab eine Befragung von Logopäd/-innen zur Zusammenarbeit mit Dolmetscher/-innen in den USA 2022 unter anderem wenig Erfahrung der Therapeut/-innen in Dolmetsch-Settings und mangelnde Aus- und Fortbildung für die Zusammenarbeit (vgl. Langdon & Sanez, 2022, S. 7).

Wir möchten eine gemeinsame, bereits durchgeführte Lehreinheit mit Studierenden der Logopädie und der Translation im vorliegenden Beitrag vorstellen. Unser didaktisches Konzept zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen Dolmetscher/-innen und Logopäd/-innen bereits in der Phase der Ausbildung zu fördern.

Um eine Kommunikation auf Augenhöhe im Gesundheitsbereich zu ermöglichen, sehen wir Dolmetscher/-innen als wichtige Akteur/-innen in der interprofessionellen Zusammenarbeit mit Logopäd/-innen. Daher sind als Erweiterung zur interprofessionellen Ausbildung zwischen den Gesundheitsberufen interprofessionelle Studieninhalte mit weiteren Berufsgruppen wie Dolmetscher/-innen, die in der Gesundheitsversorgung tätig sind, von hoher praktischer Relevanz. Ausgehend von der Bedeutung interprofessioneller Ausbildungsinhalte für Logopädie-Studierende wurde eine gemeinsame Lehrveranstaltungseinheit des Bachelor-Studienganges Logopädie – Phoniatrie – Audiologie der FH Campus Wien (4 Unterrichtseinheiten) und des Master-Studiums Translation des Zentrums für Translationswissenschaft (ZTW) der Universität Wien (3 Unterrichtseinheiten) im Sommersemester 2023 gestaltet. Ziel dieser gemeinsamen Lehreinheit war es, den Studierenden Wissen über das Berufsprofil, die Arbeitsweise, Rolle(n) und Aufgaben der anderen beruflichen Gruppe zu vermitteln, um ihre Zusammenarbeit zu verbessern. In diesem Beitrag werden anhand der stattgefundenen interprofessionellen Lehreinheit folgende Forschungsfragen beleuchtet:

  • Welche Herausforderungen entstehen für die Studierenden der Logopädie und der Translation in der Zusammenarbeit mit Studierenden der jeweils anderen Berufsgruppe?

  • Wurde das didaktische Konzept von den Studierenden der Logopädie in interprofessionellen Lehrveranstaltungen mit Studierenden der Translation als nützlich eingestuft?

  • Welche neuen Gesichtspunkte könnte dieses didaktische Konzept lehren und vertiefen?

Design der gemeinsamen Unterrichtseinheit

Das didaktische Konzept für die gemeinsame Lehreinheit wurde in Anlehnung an Hlavac et al. (2022) entworfen und bestand aus einer vorbereitenden Phase und einer gemeinsamen Phase vor Ort.

Vorbereitende Phase

Um eine gemeinsame Wissenslage vor der zusammen durchgeführten Einheit zu schaffen, erhielten alle Studierenden im Vorfeld Unterlagen über die jeweils andere Profession (Diagnostikrichtlinien, Artikel aus wissenschaftlichen Journals oder Sammelbänden sowie Vorlesungsfolien und -skripten). Vor dem Unterricht waren sie somit über das Berufsprofil, Rolle(n) und Aufgaben der anderen Gruppe informiert. Tabelle 1 zeigt zum Überblick die Definitionen und Berufsprofile in den beteiligten Studiengängen Translation und Logopädie.

Tabelle 1:

Definition der Berufsprofile Übersetzen, Dolmetschen und Logopädie

BerufsprofilDefinition
ÜbersetzenÜbersetzen bedeutet schriftliche Dokumente von einer Sprache in die andere zu übertragen. (vgl. Kadrić & Kaindl, 2016)
DolmetschenDolmetschen bezieht sich auf das Übertragen von einer Sprache in die andere in mündlichen bzw. gebärdeten Kommunikationssituationen. Übersetzen und Dolmetschen werden unter dem Begriff Translation zusammengefasst (vgl. Kadrić & Kaindl, 2016).
LogopädieLogopädie umfasst in Österreich „die eigenverantwortliche logopädische Befunderhebung und Behandlung von Sprach-, Sprech-, Stimm-, Schluck- und Hörstörungen sowie audiometrische Untersuchungen nach ärztlicher oder zahnärztlicher Anordnung.“ (MTD-Gesetz §2 (6), 2017)

Darüber hinaus wurde in dieser vorbereitenden Phase auch an der Setting-Beschreibung für das Rollenspiel gearbeitet. Im Rahmen der Lehrveranstaltung Logopädisches Projekt erstellten die Logopädie-Studierenden im Vorfeld ein Fallbeispiel (siehe Abbildung 1) mit einer Patientin ohne Deutschkenntnisse, die nach der ärztlichen Diagnose einer funktionellen Stimmstörung das erste Mal einen Logopäden/eine Logopädin aufsucht.

Abbildung 1:

Logopädisches Fallbeispiel für Rollenspiel

Die Logopädie-Studierenden arbeiteten hierfür das Anamnesegespräch und erste stimmtherapeutische Maßnahmen aus.

Die curricular verankerte Lehrveranstaltung für die Logopädie-Studierenden war die Untergruppe Visibility im Seminar Logopädisches Projekt. Die vorgegebenen Lernziele für diese Lehrveranstaltung sind die Durchführung eines logopädischen Projektes zur Sichtbarmachung des Berufsbildes ohne weitere inhaltliche Eingrenzung. Diese allgemein formulierten Lernziele ermöglichen einen breiten Handlungsspielraum, sodass im beschriebenen Semester der Themenschwerpunkt Stimme für Hochleistungssprecher/-innen sowie die Erweiterung der eigenen interkulturellen und interprofessionellen Kompetenz gewählt wurde.

Die Studierenden des Masters „Translation“ erhielten das logopädische Fallbeispiel im Vorfeld (ohne Verschriftlichung des Anamnesegesprächs oder der genauen Therapiemaßnahmen) und bereiteten sich im Zuge ihrer Lehrveranstaltung Dialogdolmetschen IItalienisch/Rumänisch selbständig auf ihren ‚Dolmetschauftrag‘ vor.

Vor dem Rollenspiel führten die Lehrenden und Organisatorinnen der FH Campus Wien mehrere Reflexionsgespräche in verschiedenen Konstellationen persönlich und per Online-Konferenz-Software durch. Die ZTW-Lehrenden hielten aus zeitlichen Gründen nur ein kurzes Briefing mit den teilnehmenden Studierenden.

Gemeinsame Phase vor Ort

In der gemeinsamen Lehreinheit, die 2023 vor Ort am ZTW stattfand, wurde der vorbereitete Fall als Rollenspiel durchgeführt und konsekutiv gedolmetscht. Dabei fanden mehrmals Rollenwechsel der agierenden Studierenden statt, sodass es zu einem Wechsel der Zielsprache von Italienisch zu Rumänisch kam. Das komplette Patient/-innengespräch im Rollenspiel dauerte ca. 90 Minuten, die verschiedenen Studierenden spielten je einzelne Sequenzen des Gespräches (siehe Abbildung 2); zwei Logopädie-Studierende übernahmen keine aktiven Rollen, sondern beobachteten das Setting. Neben den 12 Studierenden beider Studiengänge (fünf FH-Studierende und 7 ZTW-Studierende) waren zwei Lehrende der FH-Campus Wien, zwei Lehrende des ZTW und eine Projektassistentin in der Einheit anwesend.

Abbildung 2:

Aufteilung der Rollen des Fallbeispiels.

Vor und nach dem Rollenspiel moderierten die Lehrenden zwei Reflexionsgespräche in Form einer Fokusgruppe mit den Studierenden beider Studiengänge und ließen das Lehrveranstaltungskonzept nach der Lehreinheit mittels eines Fragebogens evaluieren.

METHODEN

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden die moderierten Fokusgruppengespräche und die Online-Befragung herangezogen. In den nächsten beiden Absätzen werden diese unter Orientierung an der Reporting Guideline SQUIRE (vgl. Ogrinc et al., 2016) genauer beschrieben.

Moderierte Fokusgruppengespräche

Vor und nach dem Rollenspiel erfolgte jeweils ein durch die Lehrenden des gemeinsamen Unterrichts moderiertes Fokusgruppengespräch mit den Studierenden. Gespräche mit Fokusgruppen eignen sich, um in einer offenen Atmosphäre Einzel- und Gruppenmeinungen zu einem Thema zu eruieren und die Gruppendynamik zu nutzen (cf. Baur & Blasius, 2014, S. 581–582). Zu Beginn des Unterrichts war nach einer kurzen Vorstellungsrunde aller Anwesenden und der Erklärung zum Ablauf der Lehreinheit der Übergang zu einem moderierten Gespräch sehr naheliegend in der Unterrichtsplanung. In diesem Gespräch befragten die Lehrenden die Studierenden zu ihrer Vorbereitung auf die Einheit sowie zu deren Erwartungen, beispielsweise welche größten Herausforderungen sie im gedolmetschten therapeutischen Gespräch erwarten. Das abschließende Fokusgruppengespräch erfolgte erneut mit den Lehrenden als Reflexion über die Performance der Studierenden, über die Herausforderungen und die angewendeten Strategien im Rollenspiel. Darüber hinaus konnten sich die Studierenden Peer-Feedback geben. Die Gespräche wurden nicht aufgezeichnet, sondern mit in einem allgemeinen Protokollbogen nach Gesprächsbeiträgen dokumentiert und anschließend thematisch codiert. Die Protokollierung übernahm die Projektassistentin, die keine Funktion als Lehrende innehatte; drei der vier Lehrenden selbst erstellten parallel zur Gesprächsmoderation zusätzliche Notizen. Nach der Einheit wurden Protokoll und Notizen zur weiteren Auswertung durch die Projektassistentin und 3 der Lehrenden zusammengeführt und in Themenbeiträge gefasst. Die Themenbeiträge wurden nach Studierendengruppen eingeteilt, anhand der Aussagen können aber keine Rückschlüsse auf einzelne Personen getätigt werden.

Online-Befragung

Im Anschluss an die Lehrveranstaltung wurden die Studierenden zusätzlich mittels einer Online-Befragung zur Lehreinheit befragt. Die einleitende Frage des Online-Bogens (Item A1) ermittelte den Studiengang der antwortenden Person: hierauf aufbauend wurden die Studierenden zu jeweils für sie relevanten Fragen weitergeleitet. Teils erhielten die Studierenden so neben denselben Items unterschiedliche Frage-Items, Die Logopädie-Studierenden sollten Auskunft über ihr Wissen zum Dolmetschberuf vor der Lehreinheit geben (Item A2); Item A3 richtete sich an die Studierenden der Translation, ob diese Kenntnisse über den Beruf von Logopäd/-innen haben. Auch die eigene Vorbereitung der Studierenden auf die Einheit war Gegenstand der Online-Befragung: ob sie die wissenschaftliche Vorbereitungs-Lektüre gelesen hatten, ob diese für sie hilfreich war und was sich die Studierenden vor der gemeinsamen Einheit noch gewünscht hätten (Item 4, 5, 6, 7, 15). Der Nutzen der Lektüre wurde auf einer Skala von 1 bis 4 (1 – sehr hilfreich; 4 – gar nicht hilfreich) erfasst. Weiter wurden die Studierenden gebeten, die Unterrichtseinheit mit österreichischen Schulnoten im System 1 (Sehr gut) bis 5 (Nicht genügend) zu bewerten (Item 8). Mittels einer Frage (Item 9 für die Logopädie-Studiereden; Item 10 für die Translations-Studierenden) wurden über Mehrfachantwortmöglichkeiten beispielsweise die Herausforderungen während des gedolmetschten Gesprächs erfasst. Neue Gesichtspunkte für die Studierenden ermittelten wir durch eine offene Frage (Item A11). In der darauffolgenden Frage (Item 12) wurden die Studierenden gebeten, folgende vordefinierte Gesichtspunkte von Rang 1 (= am meisten vertieft) bis Rang 6 (= am wenigsten vertieft) zu ranken: Gesprächsführung, Vorbereitung auf Patient/-innengespräche, Wissen über andere Berufsgruppen, interprofessionelles Arbeiten, Kenntnisse über mehrsprachige Settings und Fachwissen. Als weiteren Themenblock wollten wir in der Online-Befragung in Erfahrung bringen, ob die Studierenden die gemeinsame Unterrichtseinheit als gute Vorbereitung auf die Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Berufsgruppe empfunden hatten. Die Frage (Item A13) wurde als Skala von 1 bis 4 gestellt. In den weiteren Items A14 und A16 fragten wir danach, was die Studierenden für ihre berufliche Zukunft ihrer jeweiligen Profession aus der Lehreinheit mitnehmen und ob noch weitere Wünsche im Nachhinein bestanden hätten. Die abschließenden Items B1, B1 und C1 dienten der Aufstellung des Alters, der Fremdsprachenkenntnisse und offener Kommentare.

Ziel der Befragung war es, zu überprüfen, ob die Lehrinhalte von den Studierenden als relevant eingestuft wurden sowie ob und welches Wissen erworben wurde. Darüber hinaus wurden die Studierenden um Verbesserungsvorschläge für die zukünftige Planung ähnlicher Lehrveranstaltungen gebeten. Zur Beantwortung hatten die teilnehmenden Studierenden fünf Wochen (März bis Mai 2023) Zeit. Die Rücklaufquote liegt bei 100 %.

Eine der Lehrenden des ZTW erstellte den Online-Fragebogen mit Lime-Survey über eine Lizenz der Universität Wien. Der Fragebogen wurde vorab von jeweils zwei Lehrpersonen der beiden Berufsgruppen auf die berufsspezifische Relevanz und Verständlichkeit geprüft und im Rahmen eines Prätests von vier Dolmetscherinnen und zwei Logopädinnen ausgefüllt und mit Kommentaren versehen. Die Antwortmöglichkeiten wurden anhand der Literatur (vgl. Clark, 1998; Crezee & Marianacci, 2022; Merlini & Favaron, 2005) und der persönlichen Erfahrung der Lehrpersonen mit verdolmetschten Interaktionen formuliert.

Durch die geringe Gruppengröße (7 ZTW-Studierende und 5 FH-Studierende) lassen sich keine Verallgemeinerungen ableiten, die Ergebnisse wurden rein deskriptiv verarbeitet. Die Befragung enthielt 16 inhaltliche, zwei soziodemografische Fragen und eine Abschlussfrage. Die Fragen wurden mehrheitlich als geschlossene Fragen mit geraden skalierten Antwortmöglichkeiten gestellt, um die individuellen Meinungen einordnen zu können und die „Tendenz zur Mitte“ (E. Steiner & Benesch, 2021, S. 57) zu vermeiden. Einige Fragen waren offen; immer gab es die Möglichkeit, einen Kommentar zu ergänzen. Aufgrund der geringen Gruppengröße wurde nur nach groben Alterskategorien und Fremdsprachenkenntnissen (diese Frage wurde nur den Logopädie-Studierenden gestellt, um keine Rückschlüsse auf die Translations-Studierenden zu ermöglichen) eingeteilt. Es wurde nicht nach dem Geschlecht gefragt, da dies in Zusammenschau mit der Studienrichtung (11 Frauen, 1 Mann) den Anonymisierungsgrad erheblich gesenkt hätte und keine Relevanz für die Interpretation der Umfrageergebnisse hat.

Die Daten aus der Online-Befragung wurden zunächst allgemein anhand der Auswertungsansicht von LimeSurvey angeordnet und gesichtet. Fehlende Antworten bleiben in der Auswertung unberücksichtigt, fehlerhafte Antworten wie die falsche Anwendung des Benotungssystems mit sehr positiven Antworten der offenen Fragen beispielsweise haben wir bereinigt. Unsere Filter ordneten die Antworten schließlich nach Studienfach der Studierenden, um beide Gruppen gegenüber stellen zu können.

ERGEBNISSE
Forschungsfrage 1: Herausforderungen in der Zusammenarbeit

Die Logopädie-Studierenden erwähnten im ersten Fokusgruppengespräch vor allem die Unsicherheit vor dem gedolmetschten Gespräch in Bezug auf die Länge der Redebeiträge und somit des Turn-Takings. Die Translations-Studierenden waren insbesondere auf die logopädische Fachsprache konzentriert.

Weitere Herausforderungen für die Logopädie-Studierenden in der Dolmetschsituation sind als Ergebnisse der Online-Befragung in Tabelle 2 zu sehen. Die beiden häufigsten Antworten waren die Unsicherheit, nicht zu wissen, ob alles gedolmetscht wurde, sowie die optimale Länge eines aktiven Sprechbeitrages als Herausforderung (jeweils 4 Angaben). Im Fokusgruppengespräch gaben die Logopädie-Studierenden an, aufgrund der ungewissen Dauer die ungefähre Rededauer mit einem intralingualen Dolmetschszenario im Vorfeld geübt zu haben. Eine dritte Studierende fasste das auf Deutsch Gesagte ein zweites Mal zusammen, paraphrasierte es und gab dies auf Deutsch erneut wieder. Dies diente in der Vorbereitung dazu, den gesamten Inhalt der fiktiven Therapieeinheit auf die Dauer einer knappen Stunde anpassen zu können.

Tabelle 2:

Herausforderungen für die Logopädie-Studierenden (n=5)

HerausforderungAntworten absolut
Ich wusste nicht, ob alles gedolmetscht wurde.4
Ich wusste nicht, ob zusätzliche Informationen in der Dolmetschung hinzugefügt wurden.2
Die Überlappungen der Sprecher*innen.0
Das Gespräch hat viel länger gedauert als sonst.2
Ich wusste nicht, wie lange ich reden konnte/sollte.4
Ich wusste nicht, wann ich mit wem Blickkontakt aufnehmen soll.0
Die nonverbalen Informationen waren manchmal widersprüchlich.1
Forschungsfrage 2: Einstufung der gemeinsamen Lehreinheit

Die Studierenden beider Studiengänge empfanden im gemeinsamen Fokusgruppengespräch am Ende der Lehrveranstaltung die Lehreinheit als fachlich nützlich und als gute Vorbereitung auf eine spätere Zusammenarbeit in Dolmetschsituationen. Die Logopädie-Studierenden gaben an, den zeitlichen Mehraufwand für gedolmetschte Therapie-Gespräche und die Vorbereitung der Dolmetscher-/innen nun besser nachvollziehen zu können.

Alle Logopädie-Studierenden bewerteten die Einheit mit Sehr Gut. Die Dolmetsch-Studierenden vergaben ebenfalls die Note Sehr gut (n=6) sowie Gut (n=1). Ergänzende Kommentare waren möglich; diese enthielten unter anderem folgende Bemerkungen:

  • 1)

    „Sehr hilfreich, praxisbezogen, realistisch.“ (ID1)

  • 2)

    „So so so eine wertvolle und beeindruckende Erfahrung! Wir hoffen sehr, dass die Kooperation auch für künftige Studierende bestehen bleibt …Wir haben sehr viel mitgenommen, vielen lieben Dank!“ (ID6)

  • 3)

    „Mir hat die Unterrichtseinheit sehr gut gefallen. Die Studentinnen von Logopädie habe ich sehr professionell gefunden und es war sehr nützlich mit ihnen zusammen zu arbeiten.“ (ID9)

  • 4)

    „Ich fand es hilfreich und es hat sich wirklich wie eine echte Dolmetschsituation angefühlt, weil die Koleg:innen vom Logopädiestudium sehr gut vorbereitet waren.“ (ID12)

  • 5)

    „Ich fand Idee und Umsetzung sehr gut und hoffe, dass zukünftige Jahrgänge diese Erfahrung auch machen können.“ (ID13)

Bezüglich des Nutzens der Vorbereitungsmaterialien konnten folgende Ergebnisse ermittelt werden: Die Literatur wurde nur von drei Studierenden gelesen. Neun Studierende gaben an, diese nur teilweise gelesen zu haben. Nur zwei Studierende stuften die Literatur als sehr hilfreich (Skalenwert 1) ein; die Mehrheit der Studierenden (6 Personen) wählten den Skalenwert 2 als Antwortoptionen und drei Studierende wählten 3. Keine Studierenden stuften sie als gar nicht hilfreich ein. Als nützlich gaben die Translations-Studierenden die Informationen zu den anatomischen Bezeichnungen, zur Dysphonie und zum Aufbau eines logopädischen Gesprächs an. Die Logopädie-Studierenden erwähnten hingegen die Informationen zum Konsekutivdolmetschen, zu den interkulturellen Aspekten und zum Berufsbild der Dolmetschenden.

Forschungsfrage 3: Neue Gesichtspunkte

Die Studierenden wurden sowohl im anfänglichen Fokusgruppengespräch als auch in der Online-Befragung zu den neuen Gesichtspunkten befragt, die sie sich im Unterricht aneignen konnten. Ein Themenfeld hierbei war das Wissen über die Arbeit der jeweils anderen Berufsgruppe. Insgesamt gaben die Logopädie-Studierenden dabei geringe Kenntnisse über den Beruf der Dolmetscher/-innen vor dem Lesen der bereitgestellten Materialien an. Im abschließenden Fokusgruppengespräch berichteten die Logopädie-Studierenden, dass sie die vorbereitende Lektüre als informativ bezüglich des Dolmetsch-Berufes empfunden hatten. Das Item A2 der Online-Befragung zum gleichen Themenfeld wurde ähnlich beantwortet: Nur eine von fünf Logopädie-Student/-innen gaben an, vorher gewusst zu haben, wie Dolmetscher/-innen arbeiten; hingegen waren sechs von sieben Translations-Studierenden über die Arbeit der Logopäd/-innen informiert.

Als ‚neu‘ erwähnten die Studierenden folgende Gesichtspunkte:

  • Die Vorgehensweise der Dolmetscher/-innen:

    • Die Anforderungen und Arbeitsweisen der jeweils anderen Berufsgruppe” (ID17)

    • „was für enorme Konzentrationsleistungen hinter dem Dolmetschungsberuf stecken (sic)“ (ID6))

  • Die Rolle von Sprachbarrieren im Gesundheitswesen und die Tatsache, dass sie den Zugang zum Gesundheitswesen erschweren:

    • Wie wichtig es ist, Leistungen aus dem Gesundheitsbereich für ALLE „barrierefrei“ (im Sinne der Sprachbarriere) zugänglich zu machen“ (ID6)

    • „Der Gesichtspunkt der Logopädin, die dem Patienten alles gut erklären kann und seine Frage gerne beantworten will.“ (ID11)

  • Die Besonderheiten von gedolmetschten therapeutischen Gesprächen:

    • „führen eines Teils der Therapie mit Herausforderung (Dolmetscher anwesend)“ (ID19)

    • „Ich habe bemerkt, wie wichtig es ist, den Blickkontakt zu halten. Ich habe mehr mit der Patientin Blickkontakt gehalten und das war auf jeden Fall ein „Fehler“ aus meiner Seite, ich hätte die Logopädin auch mehr mit einbeziehen sollen.“ (ID9)

    • „Besprechung mit Dolmetscher:in vorab ist ein Vorteil, Dolmetscher:innen sorgen für besseres Vertrauen/Verständnis zwischen den Parteien“ (ID8)

  • Die Relevanz der Vertrauensbasis für einen gelingenden therapeutischen Prozess und das Potenzial, einen stabilen Rapport auch in Dolmetschsituationen herzustellen:

    • „Im Allgemeinen die Arbeit der Logopäd:innen, wie sie ihre Gespäche gestalten. Wie wichtig es für Logopäd:innen auch war, dass Vertrauen zwischen ihnen-Dolmetscher-Patientin gab.“ (ID3)

    • „Vertrauens- und Beziehungsaufbau zwischen Patient:in und Therapeut:in ist trotz Dolmetschung möglich“ (ID6)

Die Gewichtung der vertieften Kategorien für die Studierenden beider Studiengänge stellt Tabelle 3 im Detail dar.

Tabelle 3:

Gewichtung der vertieften Kategorien und Anzahl der Stimmen nach Studiengang (LP = Logopädie n=5; TR = Translation n=7)

KategorieRang 1Rang 2Rang 3Rang 4Rang 5Rang 6
LPTRLPTRLPTRLPTRLPTRLPTR
Gesprächsführung111021120201
Vorbereitung auf Patient/-innengespräche021002013012
Wissen über andere Berufsgruppen111320100201
interprofessionelles Arbeiten211212110100
Kenntnisse über mehrsprachige Settings101102231100
Fachwissen020100001143

Die Logopädie-Studierenden waren größtenteils nicht der Meinung, ihr eigenes Fachwissen vertieft zu haben; dies geschieht laut ihren Kommentaren im Fragebogen mehr in anderen, spezialisierten Lehrveranstaltungen. Alle teilnehmenden Studierenden fühlten sich durch die gemeinsame Lehreinheilt sämtlich gut (2 Studierende) bis sehr gut (10 Studierende) vorbereitet.

DISKUSSION

Die Bearbeitung eines gemeinsamen Falles der Studierenden beider Studiengänge ist ein sehr geeignetes und praxisnahes Vorgehen, um Situationen für den Arbeitsalltag zu üben. Arbeit an Fallbeispielen im Rahmen der Ausbildung sind eine anerkannte didaktische Methode und eignen sich als vorbereitendes Training für die berufliche Realität (vgl. Strunz & Reinecke, 2017, S. 215 ff.). Das im Rahmen der hier vorgestellten interprofessionellen Lehreinheit bearbeitete Fallbeispiel wurde nicht nur diskutiert, sondern in Form eines Rollenspiels durchgeführt. Neben weiteren Lehr- und Lernmethoden fördern Rollenspiele „das Selbstbewusstsein und neue Fähigkeiten, die direkt in allen möglichen Gesundheits-Settings angewendet werden können“ (Koloroutis et al., 2021, S. 32). Diesen Lerneffekt bestätigten die Studierenden. Neben wichtigen Kompetenzen wie Teamarbeit und Rollenklarheit hinsichtlich des eigenen Berufs wird auch die „Interaktion zwischen den Lernenden“ (Heinzelmann & Toren, 2023, S. 7) durch das didaktische Format des Fallbeispiels im Rollenspiel gefördert. Die Logopädie-Studierenden lernten beispielsweise, dass sie für ein gedolmetschtes Gespräch mehr Zeit einplanen müssen und wie sich die Translations-Studierenden mittels Recherchen und Wortlisten auf ihre Arbeit vorbereiten. Eine Vorbereitung auf Situationen mit Dolmetscher-/innen im späteren Berufsleben konnte somit praktisch vermittelt werden. Trotz fachlicher Vorbereitung und logopädischem Inhalt war für die Logopädie-Studierenden die Vertiefung des eigenen Fachwissens nicht zentral.

Die Zusammenarbeit zwischen Logopäd/-innen und Dolmetscher/-innen geht mit einigen Herausforderungen einher. Diagnostik von Sprach- und Sprechschwierigkeiten in einer Sprache, die von der/dem Logopäd/-in nicht beherrscht werden, erfordern von Dolmetschenden hoch spezifische erweiterte Kompetenzen und einen hohen Grad an metasprachlichen Fähigkeiten seitens der Logopäd/-innen. Diese Fähigkeiten können jedoch durch eine frühe, bereits in der Logopädie-Ausbildung stattfindende Auseinandersetzung mit Dolmetscher/-innen im Gesundheitsversorgungskontext bearbeitet werden. Da das hier vorgestellte Fallbeispiel das Themenfeld Stimme zum Inhalt hatte, konnten sich die Studierenden auf den Gesprächsführungsaspekt konzentrieren. Eine deutlich höhere Komplexität wäre erreicht worden, wenn der Inhalt des Rollenspiels eine Diagnostik von Sprach- oder Sprechstörungen enthalten hätte. Von dieser Herangehensweise nahmen die Lehrenden bewusst Abstand, um die erste Berührung mit der jeweils anderen Berufsgruppe für die Studierenden nicht zu komplex zu gestalten.

Bereits im Vorfeld gingen die Lehrenden von geringen beziehungsweise laienhaften Kenntnissen der Studierenden über die jeweils andere Berufsgruppe aus. Daher stellten die Lehrenden den Studierenden Vorbereitungslektüre mit Informationen über Arbeitsspektrum und das Berufsfeld der jeweiligen Berufsgruppe zur Verfügung. Da die Logopädie-Studierenden diese Informationen über den Dolmetsch-Beruf im Eingangsgespräch des Unterrichts insgesamt als nützlich und informativ werteten, ist eine Information über andere Berufsgruppen in der interprofessionellen Lehre stets in die Unterrichtsvorbereitung miteinzubeziehen und als Lernziel festzulegen. Nach dem Unterricht konnten die Studierenden mehr Wissen über die Arbeitsweise und die Anforderungen der jeweils anderen Berufsgruppe erfahren. Somit ist eines der primären Ziele der interprofessionellen Lehre und Ausbildung erfüllt: Sie soll „auf die interprofessionelle Zusammenarbeit im späteren Berufsleben“ vorbereiten „und damit einen Beitrag zu einer sicheren und patienten-bzw. bevölkerungsorientierten Gesundheitsversorgung leisten“ können. (Walkenhorst et al., 2015, S. 11)

Grundsätzlich zeigten sich die Durchführung und Auswirkungen der interprofessionellen Lehreinheit als positiv. Allerdings erfordern interprofessionelle, institutionsübergreifende Lehrkonzepte ein erhebliches Ausmaß an vorausgehender Organisation. Vor Abhaltung der Lehreinheit war das Lehrendenteam über digitale Kommunikation im Austausch. Nach der Lehrveranstaltung fanden zwei digitale Nachbesprechungen zwischen den beteiligten Lehrenden und Organisatorinnen statt. Durch den zeitlichen und organisatorischen Mehraufwand sind engagierte Akteur/-innen aus verschiedenen Lehrinstitutionen essenziell, um solche Lehrangebote zu gestalten, sichtbar zu machen und Best-Practice-Beispiele für ähnliche Kooperationen in der Zukunft aufzuzeigen.

„Derzeit ist die effektive Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen meist vom Engagement einzelner Personen und Teams abhängig.“ (Walkenhorst et al., 2015, S. 12)

Diese Tendenz aus dem beruflichen Kontext ist auf die Lehre ähnlich übertragbar. Die in diesem Beitrag skizzierte interprofessionelle Lehreinheit zeigt auf, dass auch mit wenig strukturellen Ressourcen und durch Vernetzung verschiedener Bildungseinrichtungen und Lehrenden geeignete und spannende interprofessionelle Lehrformate gestaltet werden können.

Mehrsprachige Settings im Gesundheitssektor sind durch Globalisierung und Migration alltäglich. Um Patient/-innen gut beraten und betreuen zu können, sind Dolmetsch- und Übersetzungsleistungen grundlegend. Sprachbarrieren haben einen negativen Einfluss auf den Zugang zu medizinischer Versorgung, Behandlungsqualität, Patient/-innenzufriedenheit und auf die Zufriedenheit des medizinischen Personals (vgl. Muela Ribera et al., 2013, S. 20). Daher stellt auch die interdisziplinäre Kooperation zwischen dem Gesundheitssektor und der Translation ein interessantes und wichtiges Thema in den Ausbildungen dar.

„Das typische Curriculum für Gesundheitsberufe orientierte diese in Richtung Spezialisierung und vernachlässigte den Beitrag, den andere Gesundheitsberufe oder auch die „Nicht-Gesundheitssektoren“ für die Problemlösung leisten können.“ (Kaba-Schönstein, 2004, S. 15) Dieser Dynamik wollten wir bewusst entgegenwirken und im Rahmen einer gemeinsamen Lehrveranstaltung eines Gesundheitsberufs und der Translationswissenschaft Fähigkeiten für die spätere Berufsausübung schulen.

Ein gegenseitiges Kennenlernen von Studierenden der Logopädie und Translationswissenschaft und das gemeinsame Arbeiten an einem Fallbeispiel ermöglicht eine Vorbereitung auf späteres Zusammenarbeiten in der beruflichen Realität. In Form eines Rollenspiels, in dem ein gemeinsamer Fall bearbeitet wird, können Studierende fachliche Inhalte und interprofessionelle Abläufe zeitoptimiert und auf ansprechende Art und Weise kennenlernen und gemeinsam üben.

Einschränkungen

Limitierend muss angemerkt werden, dass es sich um einen Erstdurchlauf eines neuen Lehrformats mit kleiner Gruppengröße handelt. Generalisierbare Aussagen über Outcome oder Umsetzbarkeit des Formats mit mehreren Studierenden sowie in größeren Gruppen können nicht getroffen werden. Bezüglich des Fokusgruppengesprächs muss eine gewisse Erwünschtheit der Studierendenantworten berücksichtigt werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass Studierende keine erhebliche Kritik am Format oder ihren eigenen Fähigkeiten und ihrer Motivation üben, wenn die beurteilenden Lehrpersonen anwesend sind und das Gespräch leiten. Auch stellt die teilweise Gesprächsdokumentation durch Notizen und die Auswertung durch die Lehrenden eine mögliche Verzerrung der gesammelten Daten dar. Da das Gesprächsformat als Rahmen für die Lehreinheit gedacht war und die auf diese Weise gesammelten Daten unter anderem zur Erstellung geeigneter Themenblöcke für den Fragebogen dienten, erschien uns diese Vorgehensweise dennoch geeignet und vor allem ökonomisch. Die Online-Befragung wurde als Kontrast zum Fokusgruppengespräch anonym durchgeführt, trug allerdings in der geringen Gruppengröße ebenso ein Bias-Risiko. Um die Einschränkungen der Methoden im Ansatz auszugleichen, entschieden wir uns für zwei unterschiedliche Erhebungsformate. Für eine Weiterentwicklung des Unterrichtsformats, eine Auseinandersetzung mit interprofessionellen Fragestellungen in der Lehre und eine Berücksichtigung der studentischen Perspektive erscheint uns das methodische Vorgehen insgesamt legitim und produktiv.

Weiter präsentiert sich als limitierend, dass die Logopädie-Studierenden sich erst am Anfang des 4. Semesters (von insgesamt 6) befanden und damit möglicherweise noch wenig Kontakt mit interprofessioneller Zusammenarbeit im Rahmen von Berufspraktika hatten. Vielleicht wären die Erkenntnisse anders ausgefallen, wenn die Logopädie-Studierenden bereits am Ende der Grundausbildung wären.

Die Einschränkung auf die beiden romanischen Sprachen Italienisch und Rumänisch kann ebenfalls als Limitation angegeben werden, da insbesondere medizinische Fachtermini auf Deutsch meist lateinische Wurzeln haben und damit auch für die Logopädie-Studierenden in den beiden Sprachen zu weiten Teilen gut erkennbar waren. Hier wäre eine breitere Diversität an Sprachen wünschenswert. Ebenfalls wäre es interessant zu erheben, ob die Ergebnisse bei Dolmetschen in österreichische Gebärdensprache ähnlich wären. Die weitgehend positive Beurteilung der Lehreinheit könnte auch an der kleinen Gruppe liegen, die eine sehr persönliche Betreuung durch die Lehrenden ermöglichte und möglicherweise bei einer größeren Gruppe an Qualität verlieren könnte.

Language: English, German
Page range: 27 - 37
Submitted on: Nov 21, 2023
Accepted on: Apr 18, 2025
Published on: Jun 21, 2025
Published by: ZHAW Zurich University of Applied Sciences
In partnership with: Paradigm Publishing Services
Publication frequency: 1 issue per year

© 2025 Laura Lanig, Susanne Javorszky, Cinzia Hirschvogl, Katia Iacono, published by ZHAW Zurich University of Applied Sciences
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