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Gemeindeführungsmodelle in der Deutschschweiz – eine empirische Analyse Cover

Gemeindeführungsmodelle in der Deutschschweiz – eine empirische Analyse

Open Access
|Oct 2024

Full Article

1. Einleitung

Die Komplexität der Aufgaben von Schweizer Gemeinden sowie die Ansprüche der Bevölkerung an die Qualität und Professionalität von kommunalen Leistungen haben in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen. Gleichzeitig sinkt die Bereitschaft der Schweizer Bevölkerung, sich in politischen Parteien und Ämtern zu engagieren (BFS, 2022). Zudem nimmt die Gesamtzahl an Exekutivsitzen in Schweizer Gemeinden tendenziell ab, da viele Gemeinderatsgremien in den letzten Jahren verkleinert oder im Rahmen von Fusionen zusammengelegt wurden (Steiner et al., 2021, S. 43). Im Kontext von Rekrutierungsproblemen und kommunalen Professionalisierungsbestrebungen gewinnt die Auseinandersetzung mit Gemeindeführungsmodellen an Relevanz.

Schweizer Gemeinden unterscheiden sich teils beträchtlich im Hinblick auf die Anzahl Exekutivmitglieder oder die Ausgestaltung der Arbeitspensen in den politischen Führungsgremien. Bei Entschädigungsmodellen sowie der Verteilung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen Politik und Verwaltung haben Gemeinden im Rahmen ihrer kantonalen Vorgaben grossen Gestaltungsspielraum, den sie unterschiedlich stark nutzen und sich dabei oft an bestehenden Modellen orientieren. Das Gemeindeführungsmodell definiert die Funktion des Gemeinderats und der Exekutivmitglieder sowie die Art der Führung der Verwaltung (Bürkler & Lötscher, 2014). Die Wahl des Gemeindeführungsmodells ist eine wichtige Entscheidung im Entwicklungsprozess einer Gemeinde. Kantonale Gemeindegesetze erlassen zwar Vorschriften über die Organisation der Gemeinden und setzen die kantonalen Rahmenbedingungen fest. Doch die Gemeinden bestimmen grundsätzlich selbst, wie sie sich innerhalb dieser Rahmenbedingungen organisieren. Diese Regelungen halten sie in ihrer Gemeindeordnung fest.

Vor zehn Jahren haben Bürkler und Lötscher (2014) eine Untersuchung über die Gemeindeführungsmodelle in den damals 87 Luzerner Gemeinden durchgeführt. Diese wurden folgenden vier Grundtypen von Gemeindeführungsmodellen zugeordnet: CEO-Modell, Delegiertenmodell, Geschäftsleitungsmodell und Operatives Modell (Bürkler & Lötscher, 2014, S. 5). Diese vier Modelle unterscheiden sich in der Aufgaben- und Kompetenzverteilung zwischen Exekutive und Verwaltungsleitung sowie in der Pensenhöhe der Exekutivmitglieder. Bis heute werden sie in der Praxis als Orientierungshilfe für die Weiterentwicklung von kommunalen Verwaltungsorganisationen genutzt.

Allerdings haben sich diese Modelle seit 2014 weiterentwickelt und ausdifferenziert. Insbesondere die Modellansätze in städtischen Gemeinden sowie in anderen Regionen ausserhalb der Zentralschweiz sind teilweise kaum den vier ursprünglichen Grundmodellen zuzuordnen. Über die Organisation und die führungsspezifischen Eigenheiten der rund 1’500 Gemeinden der Deutschschweiz existiert bis dato kein systematischer Überblick. Freitag et al. (2019) haben zwar in ihrer umfassenden Untersuchung zur Milizarbeit in der Schweiz auch einen Fokus auf Gemeindeführungsmodelle gelegt und deskriptive Umfrageauswertungen vorgenommen, sich dabei jedoch immer noch auf die vier Grundmodelle nach Bürkler und Lötscher (2014) abgestützt. Eine noch aktuellere Analyse zur Führungs- und Organisationsstruktur in Schweizer Gemeinden lieferten Steiner et al. (2021) im Rahmen ihrer Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem Gemeindemonitoring des Jahres 2017. Sie halten unter anderem summarisch fest, dass in der Deutschschweiz fast 95 Prozent aller Gemeinden nach einem Ressort- bzw. Departements-System organisiert sind. Zudem geben sie auf Basis der Daten des Gemeindemonitorings 2017 einen Überblick über die Führungsaufgaben von Gemeindepräsidien und übrigen Mitgliedern von Gemeindeexekutiven, über die interne Organisation der Gemeindeverwaltung (Ressort- oder Departements-Strukturen) sowie über die operative Leitung der Gemeindeverwaltung nach Sprachregion und Gemeindegrösse. Wie viele der bisherigen Beiträge bleibt auch diese Publikation hinsichtlich kommunaler Führungssysteme auf einer aggregierten Ebene und fokussiert weniger auf die Management-spezifischen Eigenheiten der einzelnen Führungsmodelle, um daraus Erkenntnisse für die Praxis abzuleiten.

An dieser Stelle setzt das hier beschriebene Forschungsprojekt an. Im Jahr 2023 wurde eine systematische Untersuchung von Deutschschweizer Gemeindeführungsmodellen durchgeführt. Im Zentrum der Studie standen folgende Forschungsfragen:

  • Welche Führungsmodelle lassen sich in Deutschschweizer Gemeinden identifizieren?

  • Welche Praxiserfahrungen hinsichtlich Umsetzung und Zufriedenheit werden mit verschiedenen Gemeindeführungsmodellen gemacht und welche Modelle eignen sich für welche Eigenheiten der Gemeinden?

Der vorliegende Artikel gibt einen Einblick in die datenbasierte Herleitung der neuen Modellpalette. Zudem werden die in der Umfrage erhobenen Zufriedenheitsvariablen in Kombination mit den Ergebnissen der Leitfadeninterviews ausgewertet, um Aussagen über die Effekte der identifizierten Führungsmodelle auf die Zufriedenheit der beteiligten Akteure zu treffen.

2. Spielräume der Selbstverwaltung auf der kommunalen Ebene

Die Schweizer Gemeinden haben im internationalen Vergleich eine hohe Autonomie und spielen eine zentrale Rolle im föderalistischen System. Vatter (2014, S. 436) hebt die umfangreiche Gemeindeautonomie hervor, die sich in Finanz- und Steuerhoheit sowie Selbstverwaltung zeigt. Allerdings sind etwa 80 Prozent der Gemeindebudgets für überlokale Aufgaben gebunden und unterliegen kantonaler Aufsicht, was die Bedeutung der Gemeinden relativiert.

Insbesondere kleinere Gemeinden im peripheren Raum drohen an ihre Leistungsgrenzen zu stossen (Steiner et al., 2019). Die Folgen sind – abhängig vom kantonalen Kontext – interkommunale und regionale Kooperationen, Fusionsabklärungen zwischen benachbarten Gemeinden und Verwaltungsreformen hin zu Führungsmodellen, welche die kommunalpolitischen Milizfunktionen auf kleinere, strategisch ausgerichtete Aufgabenfelder reduzieren und die gesamte operative Gemeindeführung einer professionalisierten Verwaltung überlassen (Bürkler & Lötscher, 2014). Inwiefern diese Entwicklungen in Richtung Regionalisierung, Standardisierung und Professionalisierung die Handlungsfähigkeit von Gemeinden nachhaltig sichert oder durch eine schleichende Politikverflechtung und damit Zentralisierung gar schwächt, hängt von den spezifischen Bedingungen der einzelnen Gemeinden ab. Denn in der Praxis zeigen sich immer wieder grosse regionale Unterschiede bei den kantonsspezifischen regulatorischen Rahmenbedingungen, der organisatorisch-institutionellen Ausgestaltung der Gemeindeführung, der unterschiedlichen Aufgabenteilung zwischen kantonaler und kommunaler Ebene und des grundlegenden und regional geprägten Politikverständnisses.

Empirische Studien zeigen, dass die rechtliche Autonomie der Gemeinden je nach Kanton variiert. Gemeinden sind strukturell Teil der Kantone und unterliegen deren Recht. Sie sind nicht souverän, sondern leiten ihre Autonomie aus dem kantonalen Recht ab. Untersucht man die Sprachregionen, zeigt sich, dass deutschsprachige Gemeinden tendenziell mehr Autonomie haben als Gemeinden in der Westschweiz (Fiechter, 2010). Etwa ein Viertel der öffentlichen Ausgaben in der Schweiz entfällt auf die Gemeinden, und häufige Abstimmungen auf kommunaler Ebene unterstreichen deren politische Autonomie. Grössere Gemeinden zeigen oft intensivere politische Auseinandersetzungen und stärkeren Einfluss von Parteien, insbesondere in den Deutschschweizer Städten (Flick Witzig & Vatter, 2023). Kleinere Gemeinden haben ökonomisch nicht zwangsläufig weniger Autonomie als grössere; entscheidend ist die geographische Lage. Gemeinden in Zentrumsnähe haben oft mehr finanzielle Spielräume als grössere, periphere Gemeinden (Fiechter, 2010).

Die Föderalismusforschung unterscheidet bei der Gemeindeautonomie zwischen dezentraler Selbststeuerung (self-rule) und geteilter Steuerung (shared-rule) (Elazar, 1987). Dezentrale Selbststeuerung umfasst die rechtlich zugestandene und von den personellen und finanziellen Ressourcen abhängige Autonomie zur Verfolgung kommunaler Interessen sowie die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger (Burgess, 2006). Die unterschiedlichen Governance-Formen in den Gemeinden sind ein wichtiger Faktor der kommunalen Selbstverwaltung. Geteilte Steuerung (shared-rule) bezieht sich auf die konstitutionell vorgesehene Repräsentation lokaler Interessen auf übergeordneter Ebene. Sei es entweder direkt mittels einer zweiten Parlamentskammer oder eines Quotensystems in der ersten Kammer zur angemessenen territorialen Repräsentation, oder indirekt mittels Doppelmandate, die Milizpolitikerinnen und -politiker gleichzeitig auf lokaler und kantonaler Ebene bekleiden, um dadurch politischen Einfluss auf die übergeordnete Staatsebene zu nehmen (Mueller, 2011, S. 219).

Der vorliegende Artikel fokussiert auf den ersten Aspekt der Gemeindeautonomie nach Elazar (1987), nämlich auf die dezentrale Selbststeuerung (self-rule) auf der untersten Staatsebene. Auf dieser Ebene setzen Gemeinden einerseits vom Kanton delegierte Aufgaben um und nutzen andererseits ihre autonomen Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume. Der theoretische Ansatz der Multi-Level-Governance bietet einen Analyserahmen, um die Interaktionen innerhalb und zwischen den Staatsebenen zu beschreiben. Er betont, dass Macht und Entscheidungsfindung auf mehreren Ebenen – lokal, regional, national und supranational – organisiert sind und diese Ebenen stark miteinander verflochten sind (Hooghe/Marks, 2003). Im Kontext der hier beschriebenen Untersuchung lässt sich dies auf das Spannungsverhältnis zwischen lokaler Selbstverwaltung und kantonaler Kontrolle übertragen.

Ein Schlüsselelement der Gemeindeautonomie ist die Vernetzung der kommunalen Akteure mit übergeordneten und wirtschaftlichen Akteuren. Governance-Theorien betonen, dass Entscheidungen nicht mehr nur in hierarchischen staatlichen Strukturen getroffen werden, sondern zunehmend durch Netzwerke von Akteuren innerhalb und ausserhalb staatlicher Institutionen, die auf verschiedenen Ebenen interagieren (Rhodes, 1996; Braun/Giraud, 2003). Insbesondere in der Schweiz, wo das Milizsystem und die direkte Demokratie stark verankert sind, sind diese Netzwerke oft entscheidend für die Durchsetzung kommunaler Interessen (Schubert, 2018). Die Verteilung der Macht auf verschiedene Ebenen und damit auch das Ausmass an kommunaler Selbstverwaltung resultieren aus komplexen, teils institutionalisierten und teils informellen Interaktionen zwischen Akteuren mit strategischen und operativen Perspektiven.

Der vorliegende Artikel fokussiert weniger auf die Schnittstellen zwischen Kantons- und Gemeindeebene, sondern auf die kommunalen Governance-Strukturen. Je nach Ausgestaltung des Führungsmodells können zwischen der politischen Exekutivebene und der operativen Verwaltungsebene unterschiedliche Kooperationsformen und Spannungsverhältnisse beobachtet werden. Gemäss Principal-Agent-Theorie agieren Gemeindeexekutiven als «Principal», die Aufgaben und Verantwortlichkeiten in unterschiedlichem Ausmass an ihre Verwaltungseinheiten delegieren, die diese Aufgaben als «Agent» auf der operativen Ebene ausführen (Ross, 1973). Diese Delegation geht aufgrund der Informationsasymmetrie zwischen den beiden Ebenen oft mit Kontrollmechanismen einher, die institutionell unterschiedlich ausgestaltet werden können. Diese Ausgestaltung erfolgt im Rahmen von spezifischen Gemeindeführungsmodellen, die im Folgenden genauer untersucht werden.

3. Methodik

Die Studie zu den Deutschschweizer Gemeindeführungsmodellen, auf die sich der vorliegende Artikel bezieht, basiert auf einem Mixed-Method-Ansatz (Baur, 2014, S. 159ff). Dieser Ansatz, basierend auf der Kombination von standardisiertem Fragebogen und vertiefenden Leitfadeninterviews, ermöglicht einen differenzierten Einblick in die Funktionsweise der Gemeindeführungsmodelle. Die quantitative Befragung ermittelt relevante Faktoren, die eine spätere Zuordnung der teilnehmenden Deutschschweizer Gemeinden zu einem Führungsmodell sowie weiterführende Analysen, unter anderem zur Zufriedenheit mit dem bestehenden Führungsmodell (Kapitel 5), ermöglichen. Für diese umfassende Befragung wurden in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Gemeindeverband alle Deutschschweizer Gemeinden per E-Mail zur Teilnahme eingeladen. Die Umfrage fand von Januar bis August 2023 statt und wurde von 819 Exekutivmitgliedern und Verwaltungsleitenden aus 645 Gemeinden abgeschlossen. Bei Gemeinden, in denen mehr als eine Person teilgenommen hatte, wurden die Daten zu einem Datensatz aggregiert, wobei die Daten der Exekutivmitglieder aufgrund umfangreicherer Fragestellungen als Basis dienten. Bei elf Gemeinden waren Nachfragen erforderlich, da die Angaben zum Führungsmodell zwischen den teilnehmenden Personen signifikant divergierten. Dadurch resultierte für jede der 645 Gemeinden, was rund der Hälfte aller Deutschschweizer Kommunen entspricht, ein valider und aussagekräftiger Datensatz.

Nach einer ersten Analyse der Vollerhebung konnten auf der Basis der Untersuchung von Bürkler und Lötscher (2014) die Grundtypen von Führungsmodellen anhand der hierarchischen Ansiedlung der Führungsverantwortung und der Verteilung der Pensen in den Gemeindeexekutiven gemäss Kapitel 4 identifiziert und den Gemeinden zugeordnet werden (vgl. Tabelle 1). Diese Grundtypen werden in Kapitel 4 eingehend erläutert.

Tabelle 1

Anzahl Umfrage-Teilnehmende, nach Gemeindeführungsmodell (eigene Darstellung).

IDENTIFIZIERTE FÜHRUNGSMODELLE (GRUNDTYPEN)UMFRAGE-TEILNEHMENDE
TOTALDAVON EXEKUTIVMITGLIEDERDAVON VERWALTUNGSLEITUNG
CEO-Modell976037
Miliz-Modell1537776
Operatives Modell543024
Präsidial-/ Delegierten-Modell664620
Departements-Modell (inkl. Stadt-Modell)11349
Tandem-Modell1388355
Nicht klar zuordbar12421103
Total645321324

Zwischen Dezember 2023 und März 2024 wurden leitfadengestützte Interviews durchgeführt. Für jedes identifizierte Gemeindeführungsmodell wurden regional ausgewogen drei bis vier systematisch ausgewählte Vertreterinnen und Vertreter in Einzel- oder Zweierinterviews (Exekutivmitglied und Verwaltungsleitung gemeinsam) befragt, um eine detaillierte Beschreibung der Struktur und Besonderheiten ihres Führungsmodells zu erhalten. Berücksichtigt wurden Exekutivmitglieder und Verwaltungsleitende, die im Rahmen der quantitativen Befragung ihre Teilnahmebereitschaft signalisiert hatten. Diese wurden gezielt nach Gemeindegrössen (bis 5'000, bis 10'000, über 10'000 Einwohnende), Gemeindetypologien (ländlich, periurban, städtisch) und Regionen innerhalb der Deutschschweiz ausgewählt. Diese methodische Vorgehensweise gewährleistet eine weitgehend repräsentative und differenzierte Datengrundlage für die qualitative Analyse. Die meisten Interviews konnten vor Ort in den Gemeinden stattfinden, um authentische Perspektiven und ein vertieftes Verständnis der internen Dynamiken zu gewinnen.

Dieses methodische Vorgehen umfasst die datengestützte Herleitung der Grundtypen von Gemeindeführungsmodellen in der Deutschschweiz. Durch die Triangulation von Zufriedenheitsvariablen aus der quantitativen Befragung und qualitativen Interviewaussagen können konkrete Effekte der identifizierten Führungsmodelle auf die Zufriedenheit sowie damit verbundene potenzielle Chancen und Herausforderungen ermittelt werden.

4. Identifizierte Führungsmodelle

Auf Basis der Datenerhebung kann eine deskriptive Übersicht über die verschiedenen organisationalen Eigenschaften von Gemeindeführungen geschaffen werden. Die Identifikation von in der Deutschschweiz verbreiteten Grundtypen von Gemeindeführungsmodellen orientiert sich an zwei Dimensionen:

  1. Führungsverantwortung: Zunächst können in den untersuchten Gemeinden Muster zur Verteilung von personeller Führungsverantwortung entlang der Hierarchiestufen von der strategischen Ebene der politisch gewählten Exekutive bis zu den unteren Kaderstufen in den Gemeindeverwaltungen identifiziert werden. So gibt es Gemeinden, in denen die Führungsverantwortung für das gesamte oberste Verwaltungskader bei einem politisch gewählten Exekutivmitglied (Präsidentin oder Delegierter) angesiedelt oder – um die Exekutive zu entlasten – an eine angestellte verwaltungsleitende Person delegiert ist. Dem gegenüber stehen weit verbreitete Modelle, welche die Führungsverantwortung departemental aufgeteilt haben mit einer politischen Exekutive, die sich entweder auf die strategische Führung des eigenen Ressorts beschränkt oder auch operative und administrative Aufgaben im eigenen Ressort übernimmt.

  2. Pensenverteilung in der Exekutive: Bei der Analyse der kommunalen Exekutivpensen lassen sich ebenfalls Muster erkennen, die direkt mit der Verteilung der Führungsverantwortung (erste Dimension) zusammenhängen. So lassen die Delegation von Verantwortung an eine verwaltungsleitende Person und der Rückzug der Exekutive auf die politisch-strategische Ebene kleinere Exekutivpensen von unter 30 Prozent zu. Höhere Pensen aller Exekutivmitglieder sind hingegen notwendig in Modellen, in welchen die Führungsverantwortung departemental aufgeteilt ist und wo die Exekutivmitglieder aufgrund der ihnen zugewiesenen Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten auch stärker in das operative Geschäft der Gemeindeverwaltung eingreifen müssen. Schliesslich können auch Modelle mit ungleich verteilten Pensen innerhalb des Exekutivgremiums identifiziert werden, was auf die ungleiche Verteilung der Führungsverantwortung zurückgeführt werden kann.

Die untersuchten Deutschschweizer Gemeinden lassen sich entlang dieser beiden Dimensionen verorten, wodurch Häufigkeitsmuster erkennbar werden, aus denen sich die Grundtypen von Führungsmodellen identifizieren lassen. Diese werden in nachfolgender Matrix (Abbildung 1) dargestellt und anschliessend beschrieben. Sämtliche Erläuterungen zu den Stärken und Herausforderungen der einzelnen Modelle basieren auf den Leitfadeninterviews, die mit Exekutivmitgliedern und Verwaltungsleitenden geführt wurden.

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Abbildung 1

Matrix Gemeindeführungsmodelle (eigene Darstellung).

CEO-Modell

Das CEO-Modell, welches in der Zentralschweiz oft auch als «Geschäftsführungsmodell» bezeichnet wird, zielt auf die strikte Trennung zwischen politisch-strategischer Verantwortung und operativer Umsetzung der Gemeindeführung ab. Die leitende Person der Verwaltung wird in diesem Führungsmodell nicht politisch gewählt, sondern aufgrund von fachlichen Kriterien von der Exekutive angestellt (Bürkler & Lötscher, 2014, S. 29). Dadurch soll eine Entflechtung des politischen Auftrags (von den Stimmberechtigten an den Gemeinderat) vom verwaltungstechnischen Auftrag (vom Gemeinderat an die Verwaltung) erreicht werden. Der Exekutive obliegt die politische und strategische Führung sowie die Kontrolle der Gemeinde, während das operative Tagesgeschäft an die Verwaltung delegiert wird. Im CEO-Modell der Gemeindeführung sind die Gemeinderäte nicht mit administrativen Vollzugsaufgaben betraut. Dies erlaubt es, die Gemeinde effizient mit einem geringeren zeitlichen Aufwand pro Gemeinderatsmitglied zu führen.

Das CEO-Modell bietet gemäss Interviewaussagen mehrere Vorzüge. Es gewährleistet beispielsweise, dass die Führung und die Tätigkeiten der Verwaltung konstant bleiben, unabhängig davon, wie die Wahlen zum Gemeinderat ausgehen. Zudem kann die Fokussierung auf strategische Aufgaben und die dadurch verringerte Arbeitslast die Teilnahme an der Milizarbeit für Personengruppen attraktiv machen, die sonst aufgrund von Zeitkonflikten mit ihrer Hauptbeschäftigung nicht für ein Amt kandidieren würden. Allerdings hat die Delegation der Verwaltungsleitung an einen CEO auch zur Folge, dass der Gemeinderat möglicherweise nicht ausreichend über Details informiert ist. Es besteht die Gefahr, dass der Gemeinderat die Nähe zur Verwaltung bzw. zu den operativen Aufgaben und den betroffenen Bürgerinnen und Bürger verliert und dass es zu Informationsasymmetrien zwischen Politik und Verwaltung kommt (Principal-Agent-Problem), denen mit entsprechenden Reporting- und Controlling-Systemen begegnet werden kann.

Milizmodell

Beim Miliz-Modell trägt der Gemeinderat die Gesamtverantwortung für die Verwaltung der Gemeinde und übernimmt dabei primär die politische Führung und strategische Planung. Die Gemeinderäte haben jeweils eigene Ressorts, für die sie politisch und strategisch verantwortlich sind. Da viele Verwaltungsaufgaben ausgelagert oder regionalisiert sind, haben die Gemeinderäte meist nur geringe Pensen von weniger als 20 Prozent oder erhalten lediglich Sitzungsgelder. Ihre Arbeitszeit wird vorwiegend für politische und strategische Aufgaben in ihren Ressorts genutzt. Die Gemeinderäte sind oft in gemeindeinternen oder gemeindeübergreifenden Kommissionen aktiv, wodurch sie die Weiterentwicklung der Gemeinde beeinflussen und eine Kontroll- und Überwachungsfunktion ausüben. In gemeindeübergreifenden Kommissionen vertreten sie zudem die Interessen ihrer eigenen Gemeinde. Durch die Auslagerung und Regionalisierung von Aufgaben ist die eigene Kernverwaltung vorwiegend schlank organisiert und verfügt nur über wenige Verwaltungsstellen, die operative Aufgaben für verschiedene Ressorts übernehmen. Die personelle Führung dieser wenigen Verwaltungsangestellten obliegt meist dem Gemeindepräsidenten, während die anderen Gemeinderäte keine direkten Führungsaufgaben haben.

Aus den Interviews lässt sich erkennen, dass in der Praxis die Kommissionsarbeit im Miliz-Modell besonders betont ist. Die Gemeinderäte übernehmen häufig den Vorsitz bzw. das Präsidium der ressortnahen Kommissionen. Die Informationen aus den Kommissionen fliessen im Gemeinderat zusammen, während Anliegen, Entscheidungen und Vorgaben des Gemeinderates über die einzelnen Gemeinderäte in die Kommissionen weitergetragen werden. Die geringen Pensen ermöglichen es, operative Aufgaben der Verwaltung zu überlassen. Durch die kleine Verwaltung sind kurze Kommunikationswege gewährleistet.

Departements-Modell

Das Departements-Modell ist – entsprechend seinem Namen – geprägt von einer departementalen Organisationsstruktur. Es zeichnet sich grundsätzlich dadurch aus, dass die politisch-strategisch ausgerichtete Exekutive gleichsam einem Geschäftsleitungsgremium auftritt, in dem jedes Mitglied ein Departement oder Ressort verantwortet. Aus diesem Grund wird dieses Modell in einigen Kantonen auch als Geschäftsleitungsmodell bezeichnet. Die Exekutivmitglieder haben Führungsverantwortung im eigenen Departement bzw. Ressort, üben normalerweise aber keine administrativ vollziehenden Tätigkeiten aus, sondern delegieren diese an die Verwaltung. Der Gemeinderat ist einerseits für die politische Führung und Kontrolle der Gemeinde zuständig, andererseits obliegt ihm die personelle Verantwortung für die obersten Verwaltungskader im jeweiligen Departement. Aus diesem Grund benötigt die Exekutivtätigkeit in diesem Modell tendenziell höhere Pensen als im CEO-Modell, die Arbeitsbelastung ist jedoch normalerweise geringer als im operativen Modell.

Zu den positiven Aspekten dieses Modells zählt gemäss Interviewaussagen die effiziente und direkte Kommunikation zwischen den Gemeinderäten und der operativen Ebene, die die Gemeindeverwaltung attraktiv für Mitarbeitende macht und schnelle Entscheidungsprozesse ermöglicht. Diese Struktur gewährleistet zudem, dass alle Direktionen gleichwertig behandelt werden, was eine ausgewogene Entscheidungsfindung fördert. Die starke Involvierung der Exekutive in die Departementsführung führt zu einer hohen Belastung und macht das Modell stark von den individuellen Fähigkeiten und dem Engagement der Amtsträgerinnen und Amtsträger abhängig. Dies fördert unter Umständen ein Silo-Denken, bei dem Direktionen vorrangig ihre eigenen Interessen verfolgen, ohne die übergeordneten Ziele der Gemeinde im Blick zu haben.

Operatives Modell

Das Operative Modell zeichnet sich dadurch aus, dass die Gemeinderatsmitglieder ihre zugeteilten Ressorts sowohl politisch-strategisch als auch fachlich-operativ und personell führen. Sie übernehmen zudem administrativ-vollziehende Aufgaben. Aufgrund dieser Aufgabenfülle leisten die Gemeinderäte oft ein höheres Arbeitspensum und benötigen neben politischen und strategischen Kenntnissen auch Führungsqualitäten sowie die relevanten fachlichen Kompetenzen für ihr Ressort. Da in diesem Modell die Exekutive politisch-strategische und administrativ-operative Tätigkeiten ausübt, gibt es keine klare Trennung zwischen Controllingaufgaben und operativem Tagesgeschäft. In grösseren Gemeinden existiert oft eine Geschäftsleitung, bestehend aus den Abteilungsleitenden der Verwaltung und dem Gemeindeschreiber als Vorsitzenden, um die Beschlüsse des Gemeinderats zu diskutieren und den interdisziplinären Austausch zwischen den Ressorts zu gewährleisten.

Die operative Tätigkeit ermöglicht dem Gemeinderat eine enge Verbindung zur Bevölkerung und deren Bedürfnissen. Die Vermischung von politisch-strategischen und den operativen Aufgaben kann jedoch zu Interessenskonflikten innerhalb der Ressorts führen. Daher sind eine klare Abgrenzung der operativen Aufgaben und regelmässige Kommunikation anzustreben. Erfolgsfaktoren dieses Modells sind gemäss Interviewaussagen die Fachkompetenz der Gemeinderatsmitglieder und damit einhergehend eine fundierte Entscheidungsfindung im Gesamtgemeinderat. Herausforderungen bestehen in der fehlenden strategischen und operativen Trennung, bei den hohen Anforderungen an die Gemeinderäte und der Kontinuität in der operativen Führung, da potenziell wechselnde Exekutivmitglieder nach Wahlen zu Unsicherheiten und Verlust von Fachwissen führen.

Stadt-Modell

Das Stadtmodell ist eine Unterform des Departementsmodells, bei dem der Stadtrat die politisch-strategische Exekutive bildet, wobei jedes Mitglied ein Departement oder Ressort leitet. Gerade in grösseren Städten sind die Stadträte häufig vollamtlich engagiert und werden von einem professionellen Stab, oft Stadtkanzlei genannt, unterstützt. Die Stadtkanzlei wird von einer Stadtschreiberin oder einem Stadtschreiber geführt. Diese Kanzlei fungiert sowohl als Stabstelle der Exekutive als auch als Sekretariat des Stadtparlaments, falls kein separater Parlamentsdienst existiert. In jedem Departement bestehen im Idealfall eigene Direktionsstäbe oder Generalsekretariate. Der Stadtrat ist einerseits für die politische Führung und Kontrolle der Stadt zuständig, andererseits obliegt ihm die personelle Verantwortung für die obersten Verwaltungskader im jeweiligen Departement. In grösseren Städten sind die Aufgaben und Verantwortungen der Stadträte umfangreicher, was zu höheren Arbeitsbelastungen führt. In kleineren und mittelgrossen Städten gibt es teilweise Unterschiede im Arbeitspensum der Stadtratsmitglieder. Problematisch wird es bei formell gleich ausgestalteten Pensen und sehr unterschiedlicher tatsächlicher Arbeitsbelastung, die die abgegoltene Arbeitszeit teilweise weit überschreitet. Dieses Ungleichgewicht zwischen festgelegten und tatsächlich geleisteten Stunden ist nicht nur im Stadtmodell ein häufig diskutiertes Thema.

Die Koordination zwischen den departementsübergreifenden Stabsverantwortlichen wird gemäss Interviewaussagen als wesentlich angesehen, um Silo-Denken zu vermeiden. Die Rolle der Stadtschreiberin oder des Stadtschreibers als neutrale Schnittstelle zwischen Verwaltung und politischer Führung ist ebenfalls von Bedeutung. Eine Herausforderung, die in vielen städtischen Führungsmodellen diskutiert wird, ist die starke operative Beteiligung der Stadträte.

Präsidial- oder Delegierten-Modell

Beim Präsidial-Modell leitet die Gemeindepräsidentin bzw. der Gemeindepräsident als delegiertes Mitglied des Gemeinderates die Verwaltung. Während die übrigen Gemeinderatsmitglieder oft Pensen von weniger als 20 Stellenprozenten innehaben, ist das Gemeindepräsidium mit einem Vollamt von 80 bis 100 Stellenprozenten ausgestattet. Ähnlich wie ein Verwaltungsrat ist der Gemeinderat für die politische und strategische Führung sowie die Kontrolle der Gemeinde verantwortlich. Er delegiert die Kompetenzen so an die Verwaltung, dass diese das Tagesgeschäft reibungslos abwickeln kann. Ein effektives Controlling-System gewährleistet einen ordnungsmässigen Ablauf der Geschäfte. Das Gemeindepräsidium ist oft erste Anlaufstelle für sämtliche Anliegen aus der Bevölkerung. Auch verwaltungsintern laufen alle wichtigen Informationen über das delegierte Mitglied des Gemeinderates. Dies führt zu einem Informationsvorsprung des Gemeindepräsidiums gegenüber den Gemeinderatsmitgliedern. Ein Erfolgsfaktor ist folglich, dass die aktuellen Informationen regelmässig und umfassend mit den Ratsmitgliedern geteilt und diskutiert werden. Besonders wichtig ist, dass bei Gemeinderatsentscheidungen alle Mitglieder gut informiert sind und die entsprechenden Entscheidungsgrundlagen haben, jedoch nicht der Eindruck entsteht, dass das Präsidium allein entscheidet.

Das Delegierten-Modell ist eine Spezialform des Präsidial-Modelles. Wie beim Präsidial-Modell übernimmt ein delegiertes Mitglied des Gemeinderates die Leitung der Verwaltung und spielt somit eine Sonderrolle. Im Unterschied zum Präsidial-Modell übernimmt beim Delegierten-Modell nicht die Präsidentin oder der Präsident diese Rolle, sondern ein anderes gewähltes Mitglied des Gemeinderates. Diese Person ist mit der Verwaltungsleitung betraut und vollamtlich tätig. Auch hier hat das Gemeindepräsidium oft ein höheres Pensum als die weiteren Gemeinderäte, die über Pensen von weniger als 20 Stellenprozenten verfügen. Das Präsidium nutzt sein höheres Pensum vorwiegend für repräsentative Aufgaben, während das delegierte Mitglied des Gemeinderates für die Verwaltungsleitung zuständig ist.

Tandem-Modell

Im Tandem-Modell wird die Schnittstelle zwischen der politisch-strategischen und operativen Ebene von zwei Führungspersonen besetzt, dem Gemeindepräsidium und der Verwaltungsleitung. Während die Verwaltungsleitung – in der Regel die Gemeindeschreiberin bzw. der Gemeindeschreiber – das operative Tagesgeschäft fachlich und personell führt, fungiert das Präsidium als Bindeglied zwischen Exekutive und der Verwaltungsleitung. Einerseits koordiniert das Präsidium die politisch-strategische Führung als Vorsitz des Gemeinderats, andererseits fungiert es als Vorgesetzte und Sparringpartner der Verwaltungsleitung, um die Beschlüsse des Gemeinderats umzusetzen. Eine enge Zusammenarbeit, kontinuierlicher Informationsaustausch und ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Präsidium und Verwaltungsleitung sind essenziell. Diese duale Führungsstruktur ermöglicht es, schnell und flexibel auf operative Anliegen zu reagieren und die strategischen Ziele der Gemeinde zu verfolgen. Während das Gemeindepräsidium i.d.R. mit einem Pensum von 50 bis 100 Prozent tätig ist und die Aufsicht der Verwaltung wahrnimmt, ist das Pensum der übrigen Gemeinderatsmitglieder bedeutend tiefer. Sie fokussieren auf die politische Führung ihrer zugeteilten Ressorts. Jedoch zeigt sich, dass – im Gegensatz zum CEO-Modell – keine strikte Trennung zwischen der politisch-strategischen und der operativen Ebene erfolgt. Die Gemeinderatsmitglieder stehen sporadisch und projektbezogen im Austausch mit der Verwaltungsabteilung ihrer Ressorts. Aufgrund dieser fehlenden strikten Trennung ist es wichtig, Interessens- und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

5. Zufriedenheitsanalyse

Das Hauptmotiv für den Wechsel zu einem neuen Führungsmodell sind gemäss Bürkler und Lötscher (2014, S. 41) geringere Pensen in der Exekutive, um Gemeinderatsmandate attraktiver zu gestalten und die Rekrutierungsproblematik zu entschärfen. Mandate mit 30 oder mehr Stellenprozenten sind für Personen mit Kaderfunktion kaum vereinbar mit der Berufstätigkeit und somit unattraktiv. Ein weiterer Grund für die Einführung eines neuen Führungsmodells ist die Möglichkeit, dem Verwaltungspersonal mehr Kompetenzen und Aufgaben zu delegieren, um dessen Fachwissen besser zu nutzen und die Motivation innerhalb der Verwaltung zu steigern. Gleichzeitig reduzieren sich damit die Anforderungen an das Gemeinderatsmitglied nach vertieftem operativem Fachwissen (Bürkler & Lötscher, 2014, S. 42).

Nach der Identifizierung der unterschiedlichen Führungsmodelle im vorangehenden Kapitel wird nun die Zufriedenheit der Exekutivmitglieder hinsichtlich der Gemeinderatspensen und deren Ausgestaltung analysiert. Diese Untersuchung geht von der Arbeitshypothese aus, dass sich die Wahl des geeigneten Gemeindeführungsmodells direkt auf die Zufriedenheit von Exekutivmitgliedern und Verwaltungskadern auswirkt. So soll einerseits ermittelt werden, inwiefern der Fokus auf bestimmte Führungsaufgaben zu einer höheren Zufriedenheit führt. Andererseits wird untersucht, inwiefern die vereinbarten Arbeitspensen eingehalten werden, da Beruf, Familie und Miliztätigkeit durch die zeitliche Belastung oft schwer zu vereinbaren sind, was zu Unzufriedenheit führen kann (Freitag et al., 2019, S. 210f). Schliesslich werden weitere Variablen analysiert, die positiv mit der Zufriedenheit korrelieren und somit als Erfolgsfaktoren bei der Bestimmung des geeigneten Gemeindeführungsmodells dienen können.

Aufgabenfokus der Exekutive

Freitag et al. (2019, S. 188) haben gezeigt, dass Miliztätige zufriedener sind, wenn Raum für die Umsetzung kreativer Ideen und die Möglichkeit für eigenverantwortliches Handeln bestehen. Für Gemeinderatsmitglieder besteht demnach die Tendenz, ohne administrative Belastung und Führungsverantwortung zufriedener mit ihrer Tätigkeit zu sein als ihre Kolleginnen und Kollegen mit solchen Aufgaben (Freitag et al., 2019, S. 210). Die vorliegende Untersuchung kann diese Tendenz nicht bestätigen. Sie ermittelte die Zufriedenheitswerte aus der quantitativen Umfrage auf einer Skala von 1 (sehr unzufrieden) bis 6 (sehr zufrieden), ergänzt mit einer offenen Antwortkategorie, in welcher die Angabe zur Zufriedenheit begründet werden konnte. Die mittlere Zufriedenheit von Gemeinderatsmitgliedern, deren Pensum für politisch-strategische und repräsentative Tätigkeiten höher ist als für operative Tätigkeiten und Führungsaufgaben, beträgt 4.82. Bei Personen, deren operative Aufgaben und Führungstätigkeiten mindestens gleich viel oder mehr ausmachen als die strategischen und repräsentativen Aufgaben, liegt die Zufriedenheit mit 4.88 etwas höher. Da auch zwischen den einzelnen Führungsmodellen keine signifikanten Unterschiede zu erkennen sind (vgl. Tabelle 2), legen die Ergebnisse nahe, dass die Fokussierung auf bestimmte Aufgabenbereiche kein bedeutender Prädikator für die Zufriedenheit ist.

Tabelle 2

Zufriedenheit nach Aufgabenfokus und Führungsmodell (Skala 1–6, eigene Darstellung).

ZUFRIEDENHEIT DER EXEKUTIVMITGLIEDER, WENN…CEO-MODELLMILIZ-MODELLOPERATIVES MODELLPRÄSIDIAL-/ DELEGIERTEN-MODELLDEPT.-/ STADT-MODELLTANDEM-MODELL
das Pensum für politisch-strategische und repräsentative Tätigkeiten grösser ist als das Pensum für operativ-fachliche und Führungsaufgaben.5.014.734.724.8254.7
das Pensum für politisch-strategische und repräsentative Tätigkeiten kleiner ist als das Pensum für operativ-fachliche und Führungsaufgaben.k.A. (inexistent bei diesem Modell)4.984.615.0654.71

Bei der Analyse der allgemeinen Zufriedenheit mit den bestehenden Gemeindeführungsmodellen zeigen die Daten der Exekutivmitglieder und der Verwaltungsleitung keine signifikanten Unterschiede (vgl. Abbildung 2). Die Durchschnittswerte über alle Modelle hinweg variieren zwischen 4.56 und 5.02. Das Operative Modell und das Tandem-Modell weisen die höchste Zufriedenheit in der Verwaltungsleitung auf, jedoch die niedrigsten Werte bei den Exekutivmitgliedern. Dies könnte darauf hindeuten, dass operativ orientierte Exekutivmitglieder bei der Verwaltungsleitung überdurchschnittlich auf Zustimmung stossen, während die operative Ausrichtung bei der Exekutive selbst jedoch weniger zur Zufriedenheit beiträgt.

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Abbildung 2

Zufriedenheit nach Führungsmodell (Eigene Darstellung).

Die Interviewgespräche mit Vertretenden des Operativen und Tandem-Modells stützen diese These jedoch nur bedingt. Sie weisen auf eine hohe Identifikation der Exekutive mit ihrer Rolle hin, die von Aufgaben- und Bürgernähe geprägt ist. Zudem verfügen Gemeinden mit diesen Modellen über einen hohen Freiheitsgrad, selbst zu bestimmen, wie tief sich ein Exekutivmitglied in die operative Materie einarbeitet und welche Aufgaben an die Verwaltung delegiert werden. Den Interviewpartnerinnen und -partnern erscheint es hingegen wichtig, dass für diese Aufgaben ein ausreichendes Arbeitspensum und eine angemessene Besoldung einhergehen. Diese beiden Faktoren sind grundsätzlich für alle Führungsmodelle relevant.

Die durchschnittlichen Zufriedenheitswerte innerhalb der einzelnen Kantone liegen zwischen 4.60 und 5.25. Die Untersuchung liefert keine erkennbaren Zusammenhänge mit anderen Faktoren, wie etwa der Gemeindetypologie, die diese Unterschiede erklären könnten. Es zeigt sich einzig eine leichte Ost-West-Tendenz. So liegen die Durchschnittswerte in der Ostschweiz (4.96) und in Zürich (5.00) über denen der Zentralschweiz (4.86), während der Espace Mittelland (4.73) und die Nordwestschweiz (4.71) die niedrigsten Werte aufweisen.

Bei den 50 Gemeinden, deren Führungsmodelle als eher bis sehr unbefriedigend bewertet werden, lassen sich keine gemeinsamen Muster oder Trends erkennen. Jedoch sind alle in Kapitel 4 identifizierten Gemeindeführungsmodelle mit vier bis elf unzufriedenen Gemeinden betroffen. Insgesamt werden 7.8 Prozent der aktuellen Führungsmodelle als eher bis sehr unbefriedigend beurteilt.

Gemeinderatspensen und zusätzliche Arbeitsstunden

Die zunehmenden gesetzlichen Vorgaben, die steigende Komplexität der Gemeindeaufgaben sowie die generell wachsenden gesellschaftlichen Anforderungen an Politik und Verwaltung setzen die Verantwortungstragenden in Gemeinden unter Druck und führen in vielen Fällen zu erhöhter zeitlicher Belastung der Exekutivmitglieder. Freitag et al. (2019, S. 210f) sowie die quantitativen und qualitativen Auswertungen der diesem Artikel zugrundeliegende Studie kommen zum Schluss, dass Gemeinderatsmitglieder mit administrativen Aufgaben und personeller Führungsverantwortung tendenziell über eine besondere zeitliche Belastung und fehlende zeitliche Ressourcen klagen. In der nachfolgenden Tabelle 3 wird dargestellt, in welchem Ausmass die wachsende Belastung der Exekutivmitglieder zu zusätzlichen, nicht vergüteten Arbeitsstunden führt und wie diese unbezahlten Zusatzstunden die Zufriedenheit beeinflussen.

Tabelle 3

Einhaltung Gemeinderatspensen (links Mittelwert der Zufriedenheit auf der Skala 1–6, rechts Anteil in Prozent (eigene Darstellung).

ENTSPRICHT DAS ENTSCHÄDIGTE PENSUM DEM EFFEKTIVEN AUFWAND?DURCHSCHNITT ALLE BEFRAGTECEO-MODELLMILIZ-MODELLOPERATIVES MODELLPRÄSIDIAL-/ DELEGIERTEN-MODELLDEPT./ STADT-MODELLTANDEM-MODELL
Grundsätzlich ja4.854.9346.7%4.9445.5%4.7336.7%5.0634.8%4.5050%4.6743.4%
Ich arbeite mehr4.825.0353.3%4.8354.5%4.7463.3%5.0065.2%5.0050%4.7756.6%
Ich arbeite wenigerk.A.k.A.0%k.A.0%k.A.0%k.A.0%k.A.0%k.A.0%

Die Untersuchung zeigt, dass die Zufriedenheit bei Exekutivmitgliedern nahezu gleich hoch ist, unabhängig davon, ob ihr Arbeitsaufwand grundsätzlich dem bezahlten Pensum entspricht (⌀-Wert 4.85) oder sie mehr arbeiten als vorgesehen (⌀-Wert 4.82). Es deuten keine Daten darauf hin, dass jemand weniger arbeitet als das entschädigte Pensum vorsieht. Hervorzuheben sind hierbei das Präsidial-Modell und das Operative Modell, bei denen eine klare Mehrheit der Exekutivmitglieder eine Arbeitsbelastung über dem entschädigten Pensum aufweist. Während das Präsidial-Modell mit einem Durchschnittswert von 5.00 eine hohe Zufriedenheitsrate bei den «Überlasteten» aufweist, erzielt das Operative Modell mit einem Mittelwert von 4.74 die geringste Zufriedenheit.

Insgesamt haben 161 Gemeinderatsmitglieder detaillierte Angaben zu den unentgeltlichen Arbeitsstunden gemacht, die sie jährlich für ihr Amt leisten. Die Analyse dieser Daten zeigt keinen klaren Trend, der darauf hindeutet, dass eine höhere Anzahl an Überstunden mit einer geringeren oder gar höheren Zufriedenheit korreliert (vgl. Tabelle 4). Daraus lässt sich ableiten, dass die Zufriedenheit nicht mit der unentgeltlichen Zusatzbelastung korreliert, solange 800 Mehrstunden nicht überschritten werden. Eine Ausnahme bildet das Miliz-Modell, bei dem bereits 400 Mehrstunden ein deutlicher Rückgang der Zufriedenheit festgestellt wird. Grund dafür sind die niedrigen Exekutivpensen, wodurch Mehrstunden stärker ins Gewicht fallen.

Tabelle 4

Zufriedenheit bei unentgeltlichen Mehrstunden (eigene Darstellung).

ZUFRIEDENHEIT BEI ANZAHL UNENTGELTLICHEN MEHRSTUNDEN PRO JAHRCEO-MODELLMILIZ-MODELLOPERATIVES MODELLPRÄSIDIAL-/DELEGIERTEN-MODELLDEPT./STADT-MODELLTANDEM-MODELL
1–200 (ca. 10% Zusatzpensum)4.815.085.004.574.60k.A.4.92
201–400 (10–20% Zusatzpensum)4.914.505.254.605.445.04.79
401–600 (20–30% Zusatzpensum)4.79k.A.4.0k.A.5.5k.A.4.6
601–800 (30–40% Zusatzpensum)4.935.0k.A.k.A.5.0k.A.5.0
800+ (40+% Zusatzpensum)4.644.0k.A.5.05.0k.A.4.33

Weitere Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit

Im Rahmen der quantitativen Datenerhebung wurde zudem untersucht, welche Faktoren die Zufriedenheit der Exekutivmitglieder mit dem bestehenden Gemeindeführungsmodell erklären können (vgl. Tabelle 5). Die Untersuchung stützt die vorangehenden Analysen, wonach eine starke positive Korrelation (r-Wert) zwischen der Zufriedenheit und effektiver Führungsstruktur mit effizienter Aufgabenteilung zwischen strategischer und operativer Ebene vorliegt (0.51). Auch ein angenehmes Arbeitsklima (0.35), der Ruf der Gemeinde als Arbeitgeberin (0.27) sowie Innovationsspielraum bei der Arbeit (0.21) weisen einen mittleren positiven Zusammenhang mit der Zufriedenheit auf. Die leicht negative Korrelation bei Homeoffice deutet darauf hin, dass diese Möglichkeit keinen Einfluss auf die Zufriedenheit hat.

Tabelle 5

Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit (eigene Darstellung).

EINFLUSSFAKTOREN AUF DIE ZUFRIEDENHEIT MIT DEM FÜHRUNGSMODELLr-WERT (ABSTEIGEND)
Effiziente und effektive Führungsstrukturen  0.51
Angenehmes Arbeitsklima  0.35
Guter Ruf der Arbeitgeberin  0.27
Spielraum für innovative Entwicklungen und Projekte  0.21
Work-Life-Balance  0.16
Hochwertige Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten  0.16
Wettbewerbsfähiges Gehalt & Sozialleistungen  0.13
Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit  0.12
Interessante Aufgaben  0.10
Persönliche Entwicklungsmöglichkeiten  0.06
Möglichkeit von Homeoffice–0.03
Zunehmendes Alter–0.02

Die Ergebnisse zeigen, dass ein an die kommunalen Strukturen angepasstes Führungsmodell genauso förderlich ist für die Zufriedenheit wie die weichen Faktoren Organisationskultur und persönliche Entfaltung. Diese Erkenntnis wird in den Interviews bestätigt durch die wiederholte Betonung von Zusammenarbeit auf Augenhöhe, gegenseitigem Vertrauen und Gestaltungsspielraum bei der Arbeit.

6. Schlussfolgerungen

Die in diesem Artikel beschriebenen Grundtypen von Gemeindeführungsmodellen in der Deutschschweiz können als evidenzbasierte Orientierungshilfe dienen, um Gemeinden dabei zu unterstützen, die Leistungsfähigkeit im Rahmen ihrer dezentralen Selbststeuerung (self-rule) nach Elazar (1987) zu steigern. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ein neues Führungsmodell kein Patentrezept darstellt. Die Implementierung muss stets an die spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Gemeinde angepasst werden. Folglich können aus der Datenerhebung auch keine allgemeinen Aussagen über die Auswirkungen einzelner Modelle auf die Zufriedenheit von Exekutivmitgliedern und Verwaltungskadern abgeleitet werden. Die zu Beginn dieses Kapitels aufgestellte Arbeitshypothese zur direkten Korrelation zwischen Führungsmodell und Zufriedenheit kann somit verworfen werden. Eine differenziertere Betrachtungsweise ist angezeigt. Die Zufriedenheit hängt stark von der konkreten Umsetzung und Ausgestaltung des gewählten Modells ab. Dabei sollten nicht nur strukturelle Aspekte wie die Trennung von strategischen und operativen Aufgaben oder die Arbeitsbelastung der Exekutivmitglieder berücksichtigt werden, sondern auch weiche Faktoren wie die Arbeitskultur sowie Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden. Dies kann in Einklang mit den eingangs erwähnten Governance-Ansätzen und Netzwerktheorien (Rhodes, 1996; Schubert, 2018) gebracht werden, die betonen, dass effektives staatliches Handeln durch zielführend koordinierte, oft selbstgesteuerte und agile Netzwerkstrukturen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren mit starken Mitgestaltungsmöglichkeiten geprägt ist.

Über verschiedene Modelle hinweg zeigt sich jedoch, dass insbesondere Exekutivmitglieder mit administrativen Aufgaben und umfangreicher Führungsverantwortung häufig über mangelnde zeitliche Ressourcen zur effektiven Aufgabenerfüllung klagen. Dies bestätigt die Tendenz aus anderen Untersuchungen, dass Gemeinderatspensen reduziert und verstärkt auf politisch-strategische Aufgaben ausgerichtet werden sollten. Geeignete Führungsmodelle bieten hierfür einen wirkungsvollen Ansatz. Die präsentierte Datenauswertung verdeutlicht jedoch, dass die Ausgestaltung und Umsetzung des gewählten Modells nicht nur die Pensenfrage und die Aufgabenverteilung zwischen Exekutivmitgliedern und Verwaltung berücksichtigen sollte, sondern die gesamte Komplexität der Gemeindeführung im Hinblick auf die gestiegenen Anforderungen an die Qualität und Professionalität kommunaler Leistungen.

Informationen über die Finanzierung

Dieses Forschungsvorhaben wurde vom Schweizerischen Gemeindeverband unterstützt und vom interdisziplinären Themencluster «Raum & Gesellschaft» der Hochschule Luzern mitfinanziert.

Interessenskonflikte

Die Autoren haben keine konkurrierenden Interessen anzugeben.

DOI: https://doi.org/10.5334/ssas.215 | Journal eISSN: 2632-9255
Language: German
Submitted on: Aug 6, 2024
Accepted on: Oct 18, 2024
Published on: Oct 28, 2024
Published by: Ubiquity Press
In partnership with: Paradigm Publishing Services
Publication frequency: 1 issue per year

© 2024 Jonas Willisegger, Marco Eichenberger, published by Ubiquity Press
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